Die ersten 13 Stadtteil-Historiker Wiesbaden und ihre Themen.
Die erste Projektstaffel begann mit der offiziellen Ernennung im Rahmen der Auftaktveranstaltung am 15. April 2016 im Festsaal des Wiesbadener Rathauses. Erfolgreich abgeschlossen wurde sie Ende August 2017 – abgerundet durch eine Publikation und eine Veranstaltungsreihe.
Hier die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen:
Dr. Tanja Bernsau
Website/Datenbank über Kunstmarkt in
Wiesbaden 1920-1945
„Der Kunstmarkt in Wiesbaden zwischen 1918 und 1950“
Dr. Tanja Bernsau will mit ihrem Projekt die Enteignungen vorwiegend jüdischer Kunsthändler (Arisierungen) und Sammler in Wiesbaden untersuchen. Es soll herausgefunden werden, wer besonderen Anteil an der Konfiszierung jüdischen Eigentums hatte und auch, welche Rolle die jeweilige Besatzungsmacht gespielt hat, den Kunstmarkt zu fördern oder zu hemmen. Das Projekt gliedert sich in drei Epochen: 1918-1933, 1933-1945 und 1945-1950. Präsentationsziel ist die Erstellung einer Website mit Datenbank über den Kunstmarkt in Wiesbaden von 1918 bis 1950. Die Datenbank soll Kunsthändler und Sammler dieses Zeitraums auflisten. Dazu sollen Infos über die damalige Kunstszene Wiesbadens kommen.
Bernd Blaudow
Emigration/Immigration Dotzheim 1818-1874
„Emigration und Immigration in Dotzheim – mit Schwerpunkt 1818 bis 1874“
Migranten gab und gibt es schon lange in Dotzheim: Vor den Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan oder dem Balkan kamen in den 80er-Jahren viel Russlanddeutsche und nach 1945 Vertriebene aus dem Sudetenland. Nach dem 30-jährigen Krieg lebten nur noch zwölf Familien in Dotzheim. Danach gab es mehrere Einwanderungswellen. In dem Projekt geht es darum die verschiedenen Einwanderungswellen seit dem 30-jährigen Krieg zu erfassen und genauer zu definieren. Danach soll am Beispiel des 19. Jahrhunderts untersucht werden, wie sich im Detail die Einwanderungszahlen entwickelt haben und woher welche Familien zugezogen waren. Neben Immigration gab es natürlich auch immer wieder Auswanderungen (Emigration). Hierzu sollen ebenfalls die entsprechenden Wellen zahlenmäßig erfasst und definiert werden. Dotzheim kann als Beispiel für die Wanderungsbewegungen in Wiesbaden und seinen Vororten dienen.
Die Ergebnisse sollen in einer Broschüre und auch in Vorträgen präsentiert werden.
Klaus Flick – Judenhäuser Wiesbadens – Ghettosierung 1939-1942
„Die ,Judenhäuser‘ in Wiesbaden – Ghettoisierung und Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung 1939 bis 1942“
Das Projekt soll die NS-Wohnungspolitik skizzieren. Die Thematik „Judenhäuser“ ist unmittelbar auch mit der Problematik der Arisierung und dem Konzept des „Volksstaats“ (Aly) verknüpft und müsste im Hinblick auf Wiesbaden konkretisiert werden. Es geht dabei nicht nur um die Begehrlichkeiten bezüglich des jüdischen Immobilienbesitzes, sondern gerade auch um die Aneignung und Verwertung der Mobilien der aus den Häusern Vertriebenen durch die „volksdeutschen“ Mitbürger. Es wird der Frage nachzugehen sein, wie sehr auch in Wiesbaden die Bevölkerung nicht nur stummer Zuschauer, sondern wissentlich Nutznießer oder sogar treibende Kraft der Ausgrenzungs- und Arisierungsprozesse war.
Es wird zu klären sein, welche und wie viele „Judenhäuser“ es ab wann in Wiesbaden gab, wie die Umsiedlungen konkret aussahen und welche Akteure daran in welcher Weise beteiligt waren. In einem nächsten Abschnitt wäre der Alltag in diesen „Judenhäusern“ darzustellen: Mit welchen Einschränkungen, Anfeindungen, Denunziationen und internen Konflikten waren die Bewohner konfrontiert? Mit den großen Deportationen 1942 hatten die „Judenhäuser“ ihre Funktion dann verloren.
Die Ergebnisse werden in einem Buch präsentiert.
Felix Gabor
Bäckereien im historischen Fünfeck 1866-heute
„Versorgung der Wiesbadener Stadtbevölkerung im Historischen Fünfeck mit dem Grundnahrungsmittel Brot (Brod) von 1866 bis in die Neuzeit“
Erforscht werden sollen Struktur und Dichte des Bäckerhandwerks und der Mehlhändler in Bezug auf Haushalte und Wohnbevölkerung. Aufgezeigt werden sollen frühere und heutige Standorte in den jeweiligen Stadtplänen und die entsprechenden Eigentumsverhältnisse (Hauseigentümer/Mieter). Wo gab es ab wann und dann wie lange größere und kleinere Bäckereien mit eigenen Backstuben? Ausgewertet werden unter anderem Adressbücher und Verzeichnisse von Handwerkskammer und Gewerbeaufsichtsamt sowie der Bäckerinnung. Rechtsanwalt Gabor hat hierzu familiäre Vorbedingungen durch drei Generationen von Bäckern in der Innenstadt.
Ralf-Andreas Gmelin
Ringkirchenpfarrer Fritz Philippi, lokales Wirken
„Fritz Philippi – Pfarrer und Dichter“
Insbesondere die persönlichen Einträge und die Schilderungen in der Pfarrchronik des Theologen Heinrich Peter über Fritz Philippi und sein Wirken zeigen einen humorvollen Liberalen, der engagiert und empathisch seinen Dienst versah. Die intensive Bearbeitung des Aktenmaterials und die Entzifferung inhaltlich noch nicht erschlossener Elemente dürften einerseits das Profil eines Theologen und Pfarrers in der Gründerzeit zeichnen, ein Lebensbild in einer spannungsreichen Zeit in Wiesbaden. Andererseits ergeben sich vielleicht auch die Motive, die sein dichterisches Schaffen angestoßen haben.
Ziel ist einerseits ein kleiner Quellenband, der die wichtigsten Texte zum Leben Philippis zusammenfasst (mehr für die Verwendung in Archiven), andererseits eine kleine, diesem folgende, womöglich illustrierte Zusammenschrift, die möglichst auch in einer kleinen Ausstellung an Philippis früherem Wirkungsort, der Ringkirche, gezeigt werden soll.
Karin Hubert
Schulen Wiesbadener-Innenstadt –
Architektur und Geschichte
„Die Wiesbadener Schulgebäude – ihre Architektur und Geschichte“
Untersucht werden sollen vor allem die Schulgebäude der Wiesbadener Innenstadt, deren Entstehung in die Zeit des 19. und frühen 20. Jahrhundert fällt. Ziel der Arbeit ist, heraus zu arbeiten, wie wandelnde pädagogische Ideen und Architektur des Schulbaus sich gegenseitig bedingen und beeinflussen. Zunächst soll die Schulsituation im Herzogtum Nassau rekonstruiert werden. Von dieser ausgehend werden die diversen Reformen und ihre Bedeutung in Nassau, bzw. ab 1866 in Preußen, ab 1871 im Kaiserreich, beleuchtet. Ein besonderer Schwerpunkt soll dabei auf den „vergessenen“ Reformern wie Johannes de Laspée oder Fritz Kalle und ihrer speziellen Bedeutung für Wiesbaden liegen. Der zu untersuchende Zeitraum reicht bis ins frühe 20. Jahrhundert und den revolutionären Ideen, die in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg kursierten. Diesen Ergebnissen soll dann die architektonische Entwicklung der Schulgebäude gegenübergestellt werden. Die Fragestellung dabei ist: Was sagt die Architektur der Schule über ihre pädagogischen Ideen aus?
Die Ergebnisse sollen in einer Broschüre, zusätzlich evtl. in einem Film und als Internetauftritt veröffentlicht werden.
Christoph Krämer
Historisches Geschäftsleben Taunusstraße
„Die Taunusstraße – Einblicke in 200 Jahre Geschichte und Geschichten, Institutionen, Betriebe, Anwohner und Gäste“
Die Taunusstraße wurde 1818 als einer der fünf den alten Stadtkern umschließenden Straßenzüge großzügig geplant. Sie genoss und genießt in der Bevölkerung und bei Gästen immer besondere Aufmerksamkeit. Spannende Dokumente spiegeln das Leben in der Taunusstraße in Zeiten des Biedermeiers, der Gründerzeit, des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Republik wider. Privatpensionen, Hotels, Wandelhallen, Kutschen und Straßenbahnen, renommierte Feinkostgeschäfte und sogar eine Zigarrenfabrik prägten das Bild ebenso wie später viele Anitquitätengeschäfte und gastronomische Betriebe. Diese Geschichte der Taunusstraße soll in Wort und Bild dargestellt werden. Wer hat hier gebaut, gearbeitet, gelebt? Welche Geschäfte/Institutionen gab es hier? Welche selbstständigen oder Privatiers lebten hier? Was hat sich im Lauf der Zeit verändert?
Präsentiert werden sollen die Ergebnisse in einer bebilderten Broschüre mit evtl. zusätzlicher Website sowie in einer Ausstellung zum Taunusstraßenfest 2017.
Schul-TV-AG „Durchblick“ – Geschichte der Heinrich-von-Kleist-Schule (Film)
„Die Geschichte der Heinrich-von-Kleist-Schule anlässlich deren 100-jährigem Bestehen“
Die Schul-TV-AG umfasst vier Mädchen und 13 Jungs und wird von zwei Lehrern unterstützt.
Das Thema ergab sich aus dem Schuljubiläum, aber auch, weil die Heinrich-von-Kleist-Schule Hessens einige Schule ist, die einen Partnerschaftsvertrag mit der Gedenkstätte Yad Vashem unterschreiben durfte – diese Zusammenarbeit gab den jungen Menschen einen zusätzlichen Anstoß.
Untersucht werden soll die Geschichte der Schule, die Auswirkungen der Stadt- und der Schulgeschichte auf das Leben der Schülerinnen und Schüler. Die Schul-TV-AG geht auf die Suche nach der Rolle der Schüler ihrer Schule in der Geschichte der Schule und der Stadt und sie versucht die Frage zu beantworten, inwieweit sie selbst die Schulgeschichte beeinflussen. Und wie und wann die Gegenwart der schule zur Schulgeschichte wird.
Die Ergebnisse sollen als Film präsentiert werden.
Kathrin Schwedler
Verpackungsfirma in Biebrich
„Das kommt in die Tüte! Geschichte und Geschichten zur Produktionsstätte Schandua in Biebrich“
Um die Stadtgeschichte um eine Facette aus dem produzierenden Alltag zu erweitern, beginnt die geplante Reihe „Made in Wiesbaden“ mit einem kleinen Familienunternehmen, das in Biebrich auf seine Art den Ortsteil der Gibb geprägt hat. „Stadtverordneter“ steht stolz neben dem Adresseintrag von Fabrikgründer Josef Schandua im Jahre 1913. Beruf ist „Papierwarefabrikant“, und das Symbol am Ende verkündet lässig, dass man natürlich über einen Telefonanschluss verfügt. Schandua und Söhne überstanden zwei Weltkriege. Aber als kleiner Spezialhersteller vor allem von konischen Fetttüten für den Individualverkauf über Metzgereien oder Feinkostläden brach der Markt mit der großindustriellen Produktion von Fetten und passenden Verpackungsmaterial einfach weg. Die Druckerei konnte eine Zeitlang noch anderweitige Aufträge generieren. Heute ist dort eine Filmproduktion untergebracht und zusätzlich zur reinen Filmproduktion sind modernste Seminarräume entstanden. Zwar werden heute weder Tüten noch Notablöcke in der Gaugasse hergestellt, aber mit den aktuellen Nutzern wird an einem traditionellen Standort wieder Ware produziert- „Made in Wiesbaden“.
Die Ergebnisse der Erforschung sollen in einer druckfähigen Dokumentation vorgestellt werden.
Manfred Stern
Maler und Dichter in Wiesbaden – Kaspar Kögler
„Der Maler und Dichter Kaspar Kögler in Wiesbaden – sein Leben und Schaffen“
Kaspar Kögler (geb. 1838, verst. 1923) begleitete mit seinem Schaffen einen herausragenden Abschnitt der Entwicklung und der Geschichte Wiesbadens. Im Rahmen des Projektes soll vor allem die weitere Erforschung seines Schaffens verbunden mit den Örtlichkeiten und den Auftraggebern seiner Arbeiten in Wiesbaden dokumentiert werden. Ziel des Projekts ist es, den Bekanntheitsgrad des Malers und Dichters zu steigern, Interesse auch bei jüngeren Menschen zu wecken an der Vorstellung noch vorhandener Werke, die Besichtigung der Werke an den Originalorten zu ermöglichen und Bezüge aufzuzeigen zur Entwicklung der Stadt Wiesbaden.
Das Ergebnis der Arbeiten nach Beendigung des Projektes könnte in einer Broschüre oder im Rahmen eines Vortrages vorgestellt werden. Um eine gewünschte Nähe zu dem Werk von KK zu erreichen, könnte auch – ggf. zusätzlich – ein Rundgang zu den Stationen des Lebens und der noch vorhandenen Werke des Künstlers in Wiesbaden eine angemessene Präsentation darstellen.
Gerhard Valentin
Bierstadt unterm Hakenkreuz
„Bierstadt unterm Hakenkreuz“
Das Thema streift teilweise die persönliche Lebens- und Familiengeschichte Gerhard Valentins, der selbst aber erst 1940 geboren wurde. Er hat erst später von der familiären Verstrickung in die NS-Zeit erfahren, weil das Thema wie woanders auch einfach totgeschwiegen wurde. Doch beiseite schieben will Valentin das Thema nicht in der Hoffnung, dass unsere heutigen und künftigen Generationen solche Ereignisse nicht mehr zulassen. So dehnt er die Erforschung der Zeit zwischen 1933 und 1945 über die Familiengeschichte hinaus konsequent auf den damaligen Wohnort Bierstadt aus. Erforscht werden Tagebücher, persönliche Niederschriften, Fotografien, Urkunden im persönlichen und örtlichen Umfeld, aber auch aus diversen regionalen und überregionalen Archiven, Kirchenbüchern, Bildarchiven und NS-Dokumentationszentren.
Präsentiert werden sollen die Ergebnisse als Niederschrift und ggf. auch in Lesungen und Gesprächen, beispielsweise in Schulen.
Friedrich Walch
Familienchronik/Firmenchronik
„Die Familien und die Firma Walch in Wiesbaden“
Der Name der Familie Walch geht bis ca. ins Jahr 1300 zurück. Sie stammten aus Böhmen. Etwa aus dem Jahr 1656 stammt das offizielle Familienwappen.
Gustav Walch durfte sich „als erster Walch“ mit besonderer Genehmigung der Stadt 1872 in Wiesbaden niederlassen. In diesem Jahr heiratete er die Wiesbadenerin Karoline Luise Burk, deren Familie in und rund um Wiesbaden zahlreiche Grundstücke besaß und obendrein viele Pferdedroschken betrieb. Am Kranzplatz eröffnete Gustav Walch ein Uhrmachergeschäft. Seinem späteren Schwiegersohn Thiedge eröffnete er im Hotel Schwarzer Bock ein Optikergeschäft. Nach dem Umzug zum Sedanplatz 4 stellte er in seinen zwei Wohn- und Fertigungsgebäuden patentierte automatische Sicherheits-Schmierapparate für die Industrie her, weiterhin patentierte künstliche Gelenke aller Art.
Die Dokumentation dieser Familien- und Firmengeschichte ergibt eine neue Facette der Wiesbadener Unternehmensgeschichte, vor allem auch im Innenstadtbereich.
Die Ergebnisse sollen in Schriftform veröffentlicht werden.
Andrea Wecker
Fitness in Wiesbaden von 1800-heute
„Fitness und Körperkult in Wiesbaden von 1800 bis heute“
Fitnesstraining war in Wiesbaden schon im 18. Jahrhundert aktuell – ebenso wie heute. Das betraf vor allem vermögende, „vornehme“ Menschen, die ja meistens selbst nicht körperlich arbeiteten. Es gab auch in Hotels schon Fitnessräume. Der auf der Jungfernfahrt untergegangene Ozeanluxusdampfer „Titanic“ besaß auch einen solchen – und dieser war ausgestattet mit Fitnessgeräten der Wiesbadener Firma Rossel, Schwarz & Co.
Fitness und Körperkult in Wiesbaden lassen sich auch an Bildern aus der Großväterzeit dokumentieren, Trainingsgeräte aus dieser Zeit kamen unter anderem von einer Fa. Zander. Zur Dokumentation gehören auch Einrichtungen wie Fitnesspfade im Rahmen der Bewegung „Trimm‘ dich“ und die später hinzukommenden Fitnessstudios mit teilweiser medizinischer Betreuung.
Die Ergebnisse sollen in einer Ausstellung präsentiert werden.